Beckenschiefstand:
Ursachen, Symptome & Therapie

Einen starken Schiefstand Ihres Beckens erkennen Sie meistens mit freiem Auge. Ihr Becken ist in einer aufrechten Haltung nicht gerade, sondern auf eine Seite geneigt. Grund dafür kann ein Unfall, ein muskuläres Ungleichgewicht oder eine Differenz der Beinlängen sein. Eine muskulär-fasziale Ursache können Sie mit gezielten Übungen selbst behandeln.

Was Sie in diesem Beitrag erfahren

Es gibt verschiedene Ursachen für einen Beckenschiefstand und einige davon können Sie leicht selbst behandeln. Eine Differenz der Beinlängen ist ein häufiger Grund für ein schiefes Becken und kann mit orthopädischen Einlagen korrigiert werden. Für eine dauerhafte Entlastung der verspannten Muskulatur, gibt es außerdem spezielle Dehnübungen.

Welche Symptome verursacht ein Beckenschiefstand?

Ihr Becken ist gewissermaßen der Mittelpunkt Ihres Körpers und hat eine Rolle als Zwischenglied und Basis. Es dient als Verbindung der Beine mit dem Oberkörper und spielt eine zentrale Rolle für die Gesundheit Ihrer Wirbelsäule. Außerdem hält Ihr Becken Sie über das Hüftgelenk gleichermaßen stabil und beweglich.

Die große Mobilität Ihres Beckens kommt neben dem Hüftgelenk und den Muskeln vor allem von den Faszien des Beckenbodens. Faszien sind die Weichteil-Komponenten des Bindegewebes und durchdringen den Körper wie ein Spinnennetz. Sie umschließen Ihre Muskeln und sorgen dafür, dass alles an seinem Platz bleibt (1).

Sobald Sie sich bewegen, machen die Faszien diese Bewegung mit und passen sich an regelmäßig ausgeführte Bewegungen an. Das heißt, sie adaptieren sich an alltägliche Bewegungsmuster. Diese Muster prägen also maßgeblich die Struktur und Flexibilität der Faszien.

Beckenaufbau. Bild: ©Henrie – stock.adobe.com (Datei Nr.: 75783457)

Drei große Bereiche der Knochenstruktur des Beckens sind bei einem Schiefstand interessant:

  1. Die beiden Hüftbeine, die jeweils aus den drei Knochen Darmbein, Sitzbein und Schambein bestehen. Diese drei Knochen treffen in der Hüftgelenkspfanne aufeinander und sind dort im Hüftgelenk verankert.
  2. Das Kreuzbein, das am untersten Abschnitt der Wirbelsäule und zwischen den beiden Hälften des Beckens liegt.
  3. Über das Iliosakralgelenk (ISG) ist das Kreuzbein mit den beiden Darmbeinen verbunden.

Wenn Sie aufrecht stehen, sollte sich Ihr Becken normalerweise in einer annähernd waagerechten Position befinden. Ist das nicht der Fall und Ihr Becken kippt dauerhaft zu einer Seite, wird von einem Beckenschiefstand gesprochen.

Ist ein Beckenschiefstand immer mit Beschwerden verbunden?

Entgegen der Erwartung, ist ein Schiefstand des Beckens nicht automatisch mit Problemen oder Beschwerden verbunden. Tatsächlich bildet ein vollkommen gerades Becken eher die Ausnahme. Bei etwa 70 Prozent der Menschen liegt eine leichte Kippung des Beckens vor (2), die vom Körper aber leicht selbst ausgeglichen werden kann.

Auch ist es nicht unüblich, dass zwischen Ihren Beinen wenige Millimeter Differenz besteht, was der häufigste Grund für einen Beckenschiefstand ist. Gerade im Wachstumsalter ist eine Differenz von drei bis neun Millimetern normal und unbedenklich. Diese Unterschiede erfolgen durch das ungleichmäßige Knochenwachstum.

Gibt es unterschiedliche Symptome bei einem Beckenschiefstand?

Wie bei allen körperlichen Beschwerden gibt es auch bei einem schiefen Becken Symptome, die häufiger auftreten als andere. Ein klassisches Leitsymptom gibt es nicht, vielmehr kann die zentrale Lage des Beckens zu einer Reaktion des ganzen Körpers führen.

  • Beckenaufwärts kann es zu Rückenschmerzen, muskulären Dysbalancen sowie Verspannungen in Lenden- und Halswirbelsäule kommen. Auch können Schmerzen in Gesäß, Schultern, Nacken, Kopf sowie Zahn- und Kieferschmerzen Folgen eines Beckenschiefstandes sein. Sogar Zähneknirschen kann eine mögliche Folge sein.
  • Beckenabwärts ist ein Beckenschiefstand Grund für den Verschleiß und die Unbeweglichkeit sämtlicher Gelenke, was sich durch Hüft-, Knie- oder Fußschmerzen äußern kann. Zusätzlich steigt das Risiko einer Hüftarthrose, da Gelenkkopf und Gelenkpfanne nicht wie vorgesehen aufeinander sitzen und sich die Knorpel ungleichmäßig abnutzen.

Eine weitere Folge eines Beckenschiefstandes ist Skoliose. Je größer der Unterschied der Beinlängen ist, desto ausgeprägter sind die Folgen für Ihr Becken und Ihre Wirbelsäule. Der Rücken versucht, die Dysbalance auszugleichen und die Wirbelsäule ist bemüht, den Körper weiterhin in der Mitte aufrechtzuerhalten.

Rückenschmerzen durch Skoliose

Rückenschmerzen durch Skoliose. Bild: ©Pixel-Shot – stock.adobe.com (Datei Nr.: 640834811)

Bei einer stark ausgeprägten Kippung des Beckens muss sich die Wirbelsäule dafür stark verkrümmen. Die daraus resultierende, seitliche Biegung der Wirbelsäule wird als Skoliose bezeichnet. Ausgehend von der Lendenwirbelsäule können auch Brust- und Halswirbelsäule betroffen sein. In vielen Fällen kann Skoliose ohne operativen Eingriff behandelt werden.

Wo liegen die Ursachen für einen Beckenschiefstand?

Die Auslöser für einen Schiefstand Ihres Beckens sind in zwei Kategorien einzuordnen:

  • funktioneller Beckenschiefstand
  • struktureller Beckenschiefstand

Funktioneller Beckenschiefstand

Beim funktionellen Beckenschiefstand liegt keine anatomische Ursache vor, sondern das Resultat einer bestimmten eingeschränkten Funktion. Die Knochenstruktur Ihres Körpers ist dabei intakt, jedoch liegt eine Störung der “Weichteile” rund um Hüfte und Becken vor. Betroffen sind dabei vor allem Muskeln, Faszien, Bänder und Sehnen.

Das Hüftgelenk besteht aus der Hüftpfanne, die an das Becken grenzt und circa die Hälfte des Oberschenkelkopfes umfasst. Der Oberschenkelkopf geht in den Oberschenkel über. Diese beiden Komponenten sind mit einer Knorpelschicht überzogen, die normalerweise für eine flüssige Bewegung sorgt und heftige Stöße abfedert.

Einseitige Bewegungen können die Verkürzung der Muskeln begünstigen. Der Hüftbeuger befindet sich in einem kleinen Vorsprung an der Innenseite des Oberschenkels und nimmt eine zentrale Funktion im Hüft- und Beckenbereich ein. Durch einseitige Bewegungsmuster wie z.B. häufiges Sitzen kann der Hüftbeuger unnachgiebig werden.

Häufiges und langes Sitzen sowie eine falsche Bewegung der Muskulatur im Beckenbereich haben zur Folge, dass Bereiche des Körpers überlastet und andere vernachlässigt werden. Das kann auf einer Körperhälfte stärker oder schwächer ausfallen als auf der jeweils anderen.

Das Resultat davon ist das “Einrosten” des Hüftbeugers. Durch das Vernachlässigen eines Beckenbereichs entwickeln sich dort muskuläre Verkürzungen und verklebte Faszien. Dadurch wird das gesamte System unnachgiebig und man spricht von “Einrosten”. Mit der Zeit wird der Widerstand im rechten Hüftbeuger immer größer.

Woher kommen die Schmerzen bei einem Beckenschiefstand?

Die Schmerzen bei einem Beckenschiefstand entstehen weniger direkt infolge eines verkürzten Beines oder einer plötzlichen schiefen Körperhaltung. Vielmehr kommt der Schmerz durch die daraus resultierende hohe Spannung in den Muskeln und Faszien zustande. Auch die Bandscheiben und das Iliosakralgelenk werden in Mitleidenschaft gezogen.

Struktureller Beckenschiefstand

In nur sehr wenigen Fällen ist ein schiefes Becken anatomisch bedingt. In einem solchen Fall halten die Strukturen des Körpers das schiefe Becken fest. Dadurch kann sich der Beckenschiefstand nicht von selbst wieder einrenken. Die häufigste Ursache liegt in einer reellen Beinlängendifferenz. Diese kann angeboren sein oder sich im Lauf des Lebens entwickeln.

Zu den möglichen Ursachen einer Wachstumshemmung gehören:

  • eine genetische Veranlagung für “echte” verkürzte Beine
  • eine frühe Schädigung hochaktiver Wachstumsfugen im Kniebereich
  • Unfälle oder Operationen (v.a. nach einem schweren, komplizierten Bruch kann der Knochen verkürzt zusammenwachsen)

Zu den möglichen Ursachen von Wachstumsstimulationen gehören:

  • Gefäßtumore oder Infektionen, die ein Mehrwachstum benachbarter Fugen auslöst
  • Brüche in der Mitte eines Knochens (Knochenschaft), bei denen Fehlstellungen länger bestehen bleiben und sich das Zusammenwachsen verzögert

Bei einer solchen “echten” Differenz der Beinlängen können Einlagen oder Sohlenerhöhungen sowie orthopädische Maßschuhe helfen, die Körperhaltung zu korrigieren. In drastischen Fällen helfen auch operative Eingriffe. Bei einem funktionellen Beckenschiefstand ist von künstlichen Hilfsmitteln oder chirurgischen Eingriffen abzuraten.

Wie behandelt man einen Beckenschiefstand?

Mit gezielten Übungen können Sie nicht nur schmerzhafte Symptome, sondern auch den Beckenschiefstand lindern. Spezielle Dehnübungen können das Gewebe rund um das Becken herum entspannen und die Schmerzen lindern.

Einlagen und Sohlenerhöhung

Für die Behandlung eines schiefen Beckens gibt es spezielle orthopädische Einlagen für Schuhe. Bei einer Beinlängendifferenz von bis zu einem Zentimeter erweisen sich Ferseneinlagen (Fersenkissen) als hilfreich. Beträgt der Unterschied ein bis drei Zentimeter, kann die Differenz mit einer erhöhten Schuhsohle kompensiert werden.

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Bei orthopädischen Hilfsmitteln ist aber Achtung geboten! Bei einem funktionellen Beckenschiefstand können diese nämlich mehr schaden als nutzen. Wird der Körper künstlich gestützt, macht ihn diese Hilfe abhängig und schwächt ihn unter Umständen. Ihre Muskeln gewöhnen sich an die Schonung und bauen an bereits geschwächten Bereichen weiter ab.

Das hat zur Folge, dass die Verkürzungen und die ungesunde Körperhaltung geradezu betoniert werden. Im schlimmsten Fall können neue Beschwerden hinzukommen. Gerade für Kinder und Jugendliche können Einlagen schwerwiegende Folgen haben. Der Körper gewöhnt sich an die falsche Höheneinstellung und die Beschwerden fallen später stärker aus. 

Dehnübungen zur Behandlung eines Beckenschiefstandes

Die folgenden Sofort-Übungen entlasten Sie bei Schmerzen und gleichen Ihren Beckenschiefstand aus. Sie helfen Ihnen dabei, ungleichmäßige Bewegungsmuster auszugleichen und sämtliche Gelenkwinkel der Hüfte anzusprechen. Damit können Sie Überspannungen der Muskeln langfristig behandeln.

Rund um die Hüfte und das Hüftgelenk befinden sich viele verschiedene Muskeln. Zwei davon benötigen besonders viel Aufmerksamkeit, da Verkürzungen dort schnell zu einem schiefen Becken führen. Die folgenden Dehnübungen sprechen genau diese beiden Muskeln an.

Übung 1:

  1. Für diese Übung gehen Sie zuerst in den Vierfüßlerstand. Der Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel sollte in etwa 90 Grad betragen. Führen Sie nun Ihre Knie auseinander und die Fußsohlen gleichzeitig zusammen. Die Knie sollten dabei nur so weit nach außen gelegt werden, dass die Füße zusammenbleiben.
  2. Im nächsten Schritt lassen Sie sich immer weiter durchhängen. Wichtig dabei ist, dass Sie nicht Ihren Bauch, sondern Ihre Leiste und Gesäß herunterdrücken. Auf diese Weise können Sie sich ganz langsam in die Muskulatur rund um das Hüftgelenk reindehnen. An der Innenseite Ihres Oberschenkels sollten Sie ein deutliches Ziehen spüren. Geben Sie Ihrem Körper Zeit, sich an diese Position zu gewöhnen und gehen Sie dann mit jedem Ausatmen tiefer in die Dehnung.
  3. Steigern Sie im letzten Schritt den Effekt dieser Übung, indem Sie beide Knie für einige Sekunden so fest wie möglich in den Boden drücken (ohne mit dem Gesäß hochzugehen). Setzen Sie die ursprüngliche Übung anschließend fort und nutzen Sie die Entspannung, um weiter in die Dehnung der Hüftmuskulatur zu gelangen.
  4. Wiederholen Sie die Gegenspanne Ihrer Knie nach 30 Sekunden erneut, bevor Sie Ihre Leisten ein letztes Mal Richtung Boden bringen. Verlassen Sie die Übung anschließend behutsam und atmen Sie tief durch.

Übung 2:

  1. Bei dieser Übung geht es gezielt um die Überspannung in der Gesäßmuskulatur. Das Resultat dieser Verspannung ist, dass der Oberschenkelkopf zu hoch in die Gelenkpfanne des Hüftgelenks gezogen wird.
  2. Sie starten wieder im Vierfüßlerstand und nehmen das rechte Bein nach vorne und das linke Bein nach hinten. Das rechte Bein soll hierbei so vor dem Oberkörper liegen, dass eine 45-Grad-Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel entsteht. Das linke Bein legen Sie am Fußrücken ab.
  3. Nun legen Sie sich unter Mitnahme Ihrer Hüfte so weit es geht nach vorne. Dabei können Sie sich auf Ihren Unterarmen abstützen. Sobald Sie ein Ziehen in der rechten Gesäßhälfte spüren, haben Sie die richtige Position gefunden.
  4. Sollten Sie kein Ziehen spüren, können Sie die Intensität der Übung erhöhen, indem Sie den Winkel Ihres rechten Beins vergrößern.

Titelbild: ©doucefleur – stock.adobe.com (Datei Nr.: 421508104)

Quellen: 

(1) Lackner, R./Sammer, A. (2016). Das Becken – eine manualmedizinische Herausforderung. In: Manuelle Medizin. (54) 6. S. 367.

(2) Mizher, A./Rüegg, A. (2016). Erhebliche Wirbelsäulenschäden schon durch kleine Beinlängendifferenzen. In: Manuelle Medizin. (54) 3. S. 150.

Rudolf Forster

Geschäftsführer Forster Schuh- & Orthopädietechnik

Rudolf Forster ist Geschäftsführer und seines Zeichens Meister für Orthopädieschuhtechnik. Ein hoher Qualitätsstandard und absolute Kundenzufriedenheit sind für ihn genauso wichtig wie die Fachkompetenz und Zufriedenheit seiner Mitarbeiter/innen.